Sie müssten todkrank sein – und leben trotzdem
13 Menschen lassen Forschern rätseln: Mit einem schweren Genfehler müssten sie mindestens todkrank sein. Zu gern wüssten die Wissenschaftler, wie sie das geschafft haben. Das verhindert der Datenschutz.
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Manche Menschen bleiben trotz genetischer Veranlagung für eine schwere Erkrankung anscheinend gesund. Bei einer gründlichen Analyse von Erbgut-Daten hat ein internationales Forscherteam unter mehr als einer halben Million Teilnehmern 13 solch überraschend widerstandsfähige Personen identifiziert. Langfristiges Ziel sei es herauszufinden, was diese Menschen vor den Krankheiten schützt, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt “Nature Biotechnology”. Dieses Wissen könne zur Entwicklung neuer Therapien genutzt werden.
Allerdings hat die aktuelle Studie einen großen Haken: Keine der 13 Personen kann für weitere Untersuchungen erneut kontaktiert werden. Das sei aufgrund der Datenschutzbestimmungen, die zum Zeitpunkt der ursprünglichen genetischen Untersuchungen vereinbart wurden, nicht möglich. Ohne zusätzliche Informationen könne man aber nicht feststellen, ob die betreffende genetische Mutation bei diesen Probanden tatsächlich völlig folgenlos geblieben sei, räumen die Wissenschaftler ein. Auch weitere Untersuchungen zu den schützenden Faktoren seien nicht möglich.
Das Team um Rong Chen von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York hatte genetische Daten aus zwölf verschiedenen Studien analysiert. Insgesamt durchforsteten sie das Erbgut von 589.306 Probanden. Sie betrachteten 874 Gene, die bei einer Mutation im Normalfall eine schwere Erkrankung hervorrufen. Diese monogenetischen Erkrankungen treten meist schon in der Kindheit auf, oft erreichen die Betroffenen das Erwachsenenalter nicht.
Insgesamt fanden die Wissenschaftler 13 Probanden, die in einem von acht der untersuchten Gene eine Mutation trugen, aber erwachsen und anscheinend gesund waren. Zu den Erkrankungen gehörten etwa die Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose oder das seltene Pfeiffer-Syndrom, das zu Fehlbildungen an Schädel und Gesicht führt.
“Die meisten Genom-Studien suchen nach den Ursachen einer Erkrankung, aber wir sehen eine gewaltige Chance darin herauszufinden, was Menschen gesund erhält”, erläutert Eric Schadt, einer der Studienleiter von der Icahn School of Medicine in einer Mitteilung seines Instituts. “Millionen Jahre der Evolution haben weit mehr Schutzmechanismen hervorgebracht, als wir gegenwärtig verstehen. Die Feinheiten unserer Genome zu charakterisieren wird letztlich Elemente aufdecken, welche die Gesundheit in einer Weise fördern, die wir uns noch nicht einmal vorstellen können.”
Für weitere Forschung wären Millionen Probanden nötig
Was die 13 Menschen schützt – oder ob sich die vermeintliche Widerstandsfähigkeit letztlich doch als Irrtum herausstellt –, wissen die Forscher derzeit nicht. Sie planen weitere Studien, in denen Möglichkeiten für eine spätere Kontaktierung der Probanden vereinbart werden. “Wenn wir diese 13 Personen kontaktieren könnten, wären wir vielleicht schon viel näher daran, natürliche Schutzfaktoren zu finden”, sagt Stephen Friend, ebenfalls von der Icahn School of Medicine.
In einem Kommentar weist Daniel McArthur vom Massachusetts General Hospital in Boston auf eine weitere Schwierigkeit hin: Die Zahl der Teilnehmer solcher Studien müsse aufgrund der Seltenheit der widerstandsfähigen Menschen extrem hoch sein. “Selbst wenn man die Einwilligung von einer Million Probanden hat und deren Genom sequenziert, ist es extrem unwahrscheinlich, dass genug genetische Superhelden erkannt werden, um eine statistisch aussagekräftige genomweite Suche nach den genetischen Varianten zu ermöglichen, die die Krankheitsgene verändern.” Um diesem Problem zu begegnen, sei die Kooperation der internationalen Forschergemeinde nötig. Zudem müssten die Studienteilnehmer bereit sein, ihre genetischen und klinischen Daten zu teilen.
Die vorgestellte Studie ist Teil des sogenannten Resilience Project, das 2014 startete. Beteiligt ist neben etlichen wissenschaftlichen Institutionen auch das US-Unternehmen 23andMe, das genetische Untersuchungen kommerziell für Privatpersonen anbietet.
Quelle: www.welt.de
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