Akupunktur gegen Geburtsschmerzen hilft wenig

In der Schwangerschaft vertrauen viele Frauen auf Alternativmedizin. Akupunktur soll Schmerzen nehmen und die Geburt beschleunigen. Doch eine neue Bewertung zeigt: Der Effekt ist nicht nachgewiesen.

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Foto: pa/ZB/dpa-ZB

Die Geburt des ersten Kindes kann für eine Frau besonders schmerzhaft sein. Manche erhoffen sich Linderung durch Akupunktur – doch deren Nutzen für Schwangere ist kaum erwiesen

Für Annelie Flaig (Name geändert) war es das erste Kind – und ihre Unsicherheit war groß. Als die Mitte 30-Jährige vor eineinhalb Jahren ihren Sohn in Frankfurt am Main auf die Welt brachte, hatte sie schon viele schlimme Geschichten aus ihrem Bekanntenkreis gehört: Frauen, die sich tagelang durch Wehen kämpften und dann schon völlig mit den Nerven am Ende waren, als die eigentliche Geburt endlich begann.

Werdende Mütter, die drei- oder viermal ins Krankenhaus fuhren, von dort aber wieder zurückgeschickt wurden, weil die Wehen wieder ausgesetzt hatten.

Schmerzlinderung versprochen

Ein solches Erlebnis wollte Flaig vermeiden – und nahm deshalb während der letzten Wochen ihrer Schwangerschaft das Angebot dankbar an, das ihr Gynäkologe in seiner Praxis offerierte. Ein Heilpraktiker, der dort arbeitete, würde sie in ein paar Sitzungen per Akupunktur auf die Geburt vorbereiten. Der Effekt, den der Arzt versprach: Die Schmerzen der Geburt würden spürbar verringert, und die Geburt werde außerdem schneller vorbei sein.

Denn die Akupunktur rege die Wehentätigkeit an. Pro Sitzung zahlte die Patientin gut 20 Euro, drei Mal ging sie zur Behandlung. Flaig sagt rückblickend, die Geburt ihres Sohnes Max sei unkompliziert verlaufen. “Wahrscheinlich hat die Akupunktur gewirkt”, meint sie.

Akupunktur unter der Lupe

Ob das stimmt, lässt sich für ihren Fall natürlich nicht nachprüfen. Niemand weiß, wie leicht die Frankfurterin die Geburt ohne die Behandlung überstanden hätte. In dieser fehlenden individuellen Nachprüfbarkeit besteht möglicherweise auch ein Teil des Charmes dieser Behandlungsmethode für Schwangere – aus Sicht der Behandler.

Wirkt die Akupunktur tatsächlich spürbar bei Schwangeren oder nicht? Dieser Frage haben sich nun die Experten des Portals “IGeL-Monitor” angenommen, das vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDS) ins Leben gerufen wurde und systematische Selbstzahlerleistungen in der Arztpraxis unter die Lupe nimmt.

Nutzen ist unklar

Die Gutachter dort kamen zu einem ernüchternden Ergebnis: “Akupunktur in der Schwangerschaft hilft und schadet kaum”, sagt Michaela Eikermann, Leiterin des Fachbereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS. Die Effekte, schreiben die Tester, seien gering. Die Wissenschaftler kommen somit zum Urteil, der Nutzen von Akupunktur in der Schwangerschaft sei “unklar”.

Für ihre Bewertung sichteten die Experten alle relevanten Studien, die es bislang zu diesem Thema gibt. Sie fanden sechs Übersichtsarbeiten und eine Einzelstudie. Darin waren jeweils Schwangere, die Akupunktur nach den Regeln der Kunst bekamen, mit anderen Schwangeren verglichen worden, die entweder keine derartige Behandlung erhielten oder eine Schein-Akupunktur – bei der etwa die Nadeln an Stellen gestochen wurden, die nicht der chinesischen Lehre entsprachen, oder die Nadeln nicht tief genug in die Haut gestochen wurden, um einen Effekt zu erzielen.

Geringe positive Effekte

Die positiven Effekte, die in den Studien ermittelt wurden, seien durchweg gering gewesen, so die Wissenschaftler von “IgeL-Monitor“. Dies galt für die untersuchten Parameter Schlafqualität während der Schwangerschaft, Übelkeit, Schmerzen während der Schwangerschaft und der Geburt sowie Geburtseinleitung.

Bieten Gynäkologen ihren schwangeren Patientinnen diese Privatzahlerleistungen an, müssen sie sich bei den Kosten an der Gebührenordnung für Ärzte orientieren, die pro Sitzung einen Satz von rund 20 Euro festlegt.

Angebot für zwei Drittel der Schwangeren

Häufig wird Schwangerschafts-Akupunktur auch in Hebammenpraxen oder von Heilpraktikern angeboten. Die Methode scheint weitverbreitet zu sein: Eine im vergangenen Juli veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab, dass zwei Drittel aller schwangeren Frauen in Deutschland Akupunktur angeboten worden sei. Die Hälfte dieser Frauen – also jede dritte Schwangere – habe das Angebot angenommen.

Das chinesische Heilverfahren ist dabei nur eines von vielen, auf das werdende Mütter zunehmend bei der Geburtsvorbereitung setzen. Auch Kurse für das sogenannte Hypno-Birthing, bei dem die Frauen per Hypnose auf die bevorstehende Geburt vorbereitet werden, verzeichnen bundesweit Zulauf.

Quelle: welt.de

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